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Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie»

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie» zur damals dringend nötigen Bereinigung im politischen System der Schweiz geführt. Entgegen den Bestrebungen und Parolen von Bundesrat, Parlament, aller Regierungsparteien und der Wirtschaft hatten Volk und Stände der Initiative zugestimmt und damit dem eigenmächtigen regieren von Bundesrat und Parlament durch Notrecht einen Riegel geschoben. Volk und Stände haben selber den Machtkampf zwischen Parlament und direkter Demokratie zu ihren Gunsten entschieden. Ein Vergleich mit heute scheint mehr denn je angebracht zu sein.

Bundesrat und Parlament hatten sich seit der Vorkriegszeit und während der Weltkriege daran gewöhnt, durch Notrecht zu regieren. Historiker sprechen vom sogenannten Vollmachtenregime. Dieses Regime bedeutete eine relativ umfassende Schwächung der direkten Demokratie und gleichzeitige Stärkung und Straffung der Staatsführung durch Parlament und Regierung. Nach dem Weltkrieg wollte man diese Praxis nicht ändern, so dass Waadtländer Freisinnige und Liberale der Ligue Vaudoise zusammen mit dem bekannten Zürcher Staatsrechtsprofessor Zaccaria Giacometti die Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie» lancierten. Trotz massivem Widerstand der etablierten Politik hat dann die Mehrheit von Volk und Stände eine Klärung erwirkt.

 

Heute zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Anstatt mit Notrecht wird unter Rückgriff auf ein vages internationales Recht regiert. Mit diffusen und meist falsch verwendeten Begriffen wie «Bilaterale» oder «Völkerrecht» wird Politik gemacht und die direkte Demokratie umgangen. Nicht selten wird das sogenannte «Spiel über die Banden» gespielt. Etwas, was innenpolitisch nicht oder nur schwer umzusetzen oder zu verhindern ist, wird über die internationale Bühne durchgesetzt oder verhindert. Rechtsprofessor Andreas Glaser spricht im Rahmen der Nichtumsetzung der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» deutlich von einem Machtkampf zwischen Parlament und Volk. Das Parlament hat sich offensichtlich gegen einen expliziten Auftrag der Bevölkerung gestellt.

Die Antwort ist so einfach, wie auch logisch. Die Selbstbestimmungsinitiative spricht genau wie die Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie» das selbstherrliche und eigenmächtige Regieren von Parlament und Bundesrat an. Früher ging es um Notrecht und damit um ein vermeintlich höheres Wohl, heute geht es um die eigenwillige Interpretation und Überhöhung von internationalem Recht und internationalen Institutionen. Wenn wir unseren direktdemokratischen und freiheitlichen Rechtsstaat erhalten wollen, braucht es wohl erneut diese Klärung durch den Souverän. Ansonsten dürfen sich Politiker nicht über Frust, Politikverdrossenheit oder Protestparteien wundern. Unsere direktdemokratische Konsenskultur können wir nur bewahren, in dem mit der Selbstbestimmungsinitiative wieder klargestellt wird, dass unsere Verfassung und unser Verfassungsgeber, d.h. Volk und Stände über jeglichem staatlichen Handeln und somit auch über zwischenstaatlichem Recht stehen.

Urs Vögeli

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Kommentare: 9
  • #1

    Karin Boudebbouz-Saxer (Freitag, 19 Oktober 2018 12:02)

    Im Artikel geht vergessen, dass eine funktionierende direkte Demokratie auf individueller und persönlicher Freiheit der Individuen beruht. Die Individuen müssen unter freiheitlichen Bedingungen ihre Meinung bilden und vertreten können. Die EMRK garantiert die persönliche Freiheit und Unverletzlichkeit der Person, gerade diese Menschenrechte sind nundurch die Selbstbestimmungsinitiative in Gefahr.
    Wenn diese Garantien nicht gegeben sind, ist die Gefahr gross, dass ein direktdemokratisches System zu einem totalitären, korrupten, auf Klientel beruhendem und letztendlich diktatorischem System verkommt.

  • #2

    Matthias Teh (Freitag, 19 Oktober 2018 12:21)

    Karin Boudebbouz-Saver vergisst dass auch die Schweizer Bundesverfassung die persönliche Freiheit und Unverletzlichkeit der Person garantiert. Diese bei der EMRK abzuschaffen ist wohl einfacher als bei der Bundesverfassung, welche ein langwieriges, demokratisches Prozedere bräuchte.

  • #3

    Urs Vögeli (Freitag, 19 Oktober 2018 13:01)

    Wir denken, dass es ein Zusammenspiel ist. Die individuelle und persönliche Freiheit ist genauso auf demokratische Mitbestimmung angewiesen. Was nützt die freie Information und Meinungsbildung, wenn diese Meinung dann nicht umgesetzt oder ernstgenommen wird? Die Selbstbestimmungsinitiative bewahrt die Balance zwischen demokratischer Selbstbestimmung und den Freiheitsrechten.

  • #4

    Monika Wernli (Freitag, 19 Oktober 2018)

    Nur, dass Demokratie, Selbstbestimmung und Menschenrechte 1949 in der Schweiz wie selbstverständlich nur für Männer galten. ICH will nicht dahin zurück! Ohne EMRK würde sich "Stimmbürger" vielleicht immer noch nur auf Männer beziehen...

  • #5

    Simon Pflanzer (Samstag, 20 Oktober 2018 12:42)

    Matthias Teh vergisst, dass die Bundesverfassung durch das Stimmvolk geändert werden kann, und dieser Schutz abgeschafft werden kann.

  • #6

    Imme Appenzeller (Sonntag, 21 Oktober 2018 07:59)

    Herr Vögeli, ich stimme Ihrem Artikel vollumfänglich zu.

  • #7

    Juerg Zaugg (Sonntag, 21 Oktober 2018 17:52)

    ... noch nie einen blöderen Vergleich gesehen!

  • #8

    Urs Tschanz (Montag, 22 Oktober 2018 16:53)

    Der Artikel ist eine typische SVP Nebelpetarde. Sie desorientiert und stiftet Verwirrung. Durch falsche Behauptungen, Halbwahrheiten, Etikettenschwindel bei Initiativen, Angstmacherei und Hetze werden die Massen manipuliert und die direkte Demokratie unterminiert und letztlich nach und nach zerstört...

  • #9

    Bruno Waldvogel (Dienstag, 23 Oktober 2018 01:03)

    Partnerschaft kann man nur mit verlässlichen Partnern eingehen. Wir haben keine verlässlichen Partner. Schon lange nicht mehr. Eisenbahnanbindungen, Flugverkehrsregelungen, Bankdatendiebstahl, Verweigerung diplomatischer Hilfe im Krisenfall, aufgehobenes Grenzregime, verweigerte Rechtshilfegesuche, Kohäsionsmilliarden, bis hin zur Erpressung - die Liste der verratenen Partnerschaft ist lange. Am Ende gehen die nationalen Interessen der Grossen immer vor. Die kleinen "Partner" schauen dann wie üblich in die Röhre. Was soll ich von diesen "partnerschaftlichen" Argumenten halten, die einzig und allein eine schleichende externe Übernahme ("=Anpassung an geltende Rechtspraxis") unseres Rechtssystem möchten? Die Initiative schiebt dem einen Riegel vor. Ich wehre mich auch gegen den Verdacht, der Gegner, dass bei Annahme die Menschenrechte mit Füssen getreten würde. Schaut euch mal an, welche Regimes und Länder über die Menschenrechte befinden! Wir sind nicht Saudi-Arabien, die Türkei oder Nordkorea! Diese Panikmacherei ist völlig übertrieben. Gebt dem zahlenden Bürger in allen Dingen das letzte Wort. Darum werde ich ja stimmen.