Neutralität ist kein Selbstzweck – Zum Wert der Neutralität

Neutralität ermöglicht Friedensverhandlungen, Vermittlung und humanitäre Hilfe

Der Wert der Unparteilichkeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz IKRK verdeutlicht den Nutzen der Neutralität. Das IKRK muss, um im Kriegsgebiet helfen zu können und später auch vermittelnd anerkannt zu werden mit allen Kriegsparteien, seien sie noch so widerwärtig, reden und kommunizieren können. Die Unparteilichkeit schützt die Helfenden vor Ort und das Image der Organisation, um auch in Zukunft und in anderen Konflikten als humanitär und neutral wahrgenommen zu werden.

 

«Zum Erhalt des Vertrauens bei allen Beteiligten ergreift die Bewegung bei feindlichen Handlungen weder Partei, noch beteiligt sie sich an Auseinandersetzungen politischer, rassischer, religiöser oder ideologischer Art.» Grundsatz des IKRK

 

Die Schweizer Neutralität verfolgt unter anderem den gleichen Zweck und die Schweiz hat als Heimatstaat des IKRK eine besondere Verantwortung. Es geht darum rasch vor Ort helfen und vermitteln zu können, zwischen allen Parteien. Die Neutralität zielt auf den Frieden. Wenn die Schweiz diese Position nicht mehr einnehmen kann, werden andere Staaten, die meist eigene globale und regionale Machtpolitik betreiben und somit auch Eigeninteressen verfolgen diese Rolle übernehmen. Es wäre auch für den Westen wertvoll, einen westlichen Neutralen wie die Schweiz zu anerkennen und zu unterstützen.

Neutralität erlaubt strategische Entscheidungen

Die Neutralität dient der Regierung als Reflexionsschlaufe. Sie steht damit dem Mitschwimmen mit dem Strom entgegen. Mit der Unparteilichkeit wird die politische Führung vor kurzfristiger Befindlichkeit, Emotionalität und Empörung geschützt, damit eine strategische und clevere Politik folgen kann. Damit heben sich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch von der emotionalen Pöbelherrschaft und Empörungspolitik ab. Es schützt die Regierung auch vor allseitigem Informationskrieg. Damit wird die Gesamtsicht und Langfristperspektive gewahrt, die ganzheitlich orientiert ist. Denn der Staat hat verschiedene Verantwortlichkeiten, nicht nur die aussenpolitische Interessenpolitik oder eine international-moralische Verantwortung, sondern beispielsweise auch Wohlfahrt und Sicherheit. Es gibt auch eine moralische Verantwortung der Regierung Land und Leute zu schützen, Arbeitsplätze zu erhalten, Armut zu verhindern, den sozialen Frieden zu wahren, humanitäre Hilfe zu leisten und für den Frieden zu weibeln. Die Neutralität hat in der Vergangenheit die Schweizer Bevölkerung vor Krieg und Zerstörung bewahrt.

Neutralität gewährleistet die Eigenverantwortung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Wirtschaft und Gesellschaft können und müssen keinesfalls neutral sein. Aber Unternehmen müssen die Verantwortung selber übernehmen, wenn sie sich politisch und geopolitisch positionieren. Sie müssen selber abwägen können, ob Arbeitsplätze und Angestellte wichtiger sind, oder die politische Positionierung und moralische Beurteilung. Wenn ein Unternehmen die wirtschaftliche Tätigkeit in einem Kriegsland einstellt, muss es die Konsequenzen gegenüber Kunden und Angestellte selber tragen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die moralische Verantwortung an das Kollektiv abgeschoben wird, ohne selbst gerade stehen zu müssen.

Auch in Bezug auf die Gesellschaft besteht diese Gefahr. Wenn der Staat nicht mehr neutral ist, geht die Verantwortlichkeit in der Gesellschaft tendenziell verloren. Kriege und Konflikte gehen damit viel eher in Vergessenheit, weil das anonyme Kollektiv sich ja um die moralische Verantwortung kümmert. Auch der Dialog wird in der Regel eingeschränkt, weil mit der Politisierung der moralischen Verantwortung meist auch eine Verhärtung der Gesprächskultur und Überhöhung der moralischen Beurteilung stattfindet. Analytische Perspektiven werden rar, was ebenfalls strategische Entscheidungen erschwert.

Neutralität schützt die direkte Demokratie, die Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz

Stephanie Gartenmann (ESiP)

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