Kleine Geschichte des Rahmenabkommens

Buchrezension

Das aktuell erschienene Buch «Kleine Geschichte des Rahmenabkommens» von Felix E. Müller (NZZ-Verlag) überzeugt mit einer grossen Fülle an Hintergrundinformationen, Fakten und Anekdoten zum umstrittenen Rahmenvertrag zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU). Die demokratiepolitischen Schlüsse, die der Autor macht, rütteln auf. Es lohnt sich genau hinzuschauen und sie entsprechend in einen staatspolitischen Kontext zu stellen. Dabei muss insbesondere das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Vertrages differenziert betrachtet werden. Klar ist das Fazit jedoch in Bezug auf die Verschiebung von demokratischen hin zu technokratischen Prozessen, sowie von einem bilateralen zu einem integrativen Verhältnis Schweiz-EU. 

Kosten-Nutzen-Rechnung beim Rahmenabkommen

Der Autor betont die Wichtigkeit einer differenzierten Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Schweiz unbedingt anstellen müsse. Es geht ihm dabei vornehmlich darum, die drohenden wirtschaftlichen Nachteile gegen die Bedenken über souveränitätsrechtliche Einschränkung abzuwägen. Diese vereinfachte Gegenüberstellung verlangt nach zwei Anmerkungen, respektive Klarstellungen. Selbst wenn der Antagonismus stimmen würde, geht es bei den wirtschaftlichen Nachteilen nur um potenzielle und prognostizierte Auswirkungen. Die demokratiepolitischen und rechtlichen Einschränkungen sind jedoch Tatsachen mit konkreten und direkten Auswirkungen. Diese kann man im vorliegenden Rahmenvertrag ohne Weiteres nachgelesen.


Rahmenabkommen bedeutet auch wirtschaftliche Nachteile

Noch viel schwerwiegender ist aber das Manko, dass die Gegenüberstellung Wirtschaft versus Souveränität irreführend und zu einfach ist. Auch hier muss klargestellt werden, dass bei den rechtlichen Einschränkungen ebenfalls wirtschaftliche Nachteile die Folge sein werden. Die globale Ausrichtung der Schweiz und die Fähigkeit eine kluge Nischenpolitik in der globalen Wirtschaft einnehmen zu können werden mit der Andockung an die EU in Frage gestellt. Zudem werden insbesondere beim Arbeitsrecht, sowie mit der Zunahme von Bürokratie und Regulierungen auch massive wirtschaftliche Nachteile für die Schweiz in Kauf genommen. Dessen muss man sich bewusst sein, denn die Vor- und Nachteile müssen über alle Themengebiete formuliert und gewichtet werden.

Technokratie statt Demokratie

Schon am Anfang des Buches wird die Idee des Rahmenabkommens als «Management der zahlreichen bestehenden Verträge» umschrieben. Das war das ursprüngliche Ziel dieses Abkommens. Dies impliziert fälschlicherweise, dass ein neutrales und objektives «managen» von politisch sehr heiklen und umstrittenen Konflikten möglich ist. Dabei passt sich das Rahmenabkommen offenbar an EU-interne Entwicklungen an, die der Autor ebenfalls erwähnt: «Das heisst, dass das Verhalten der EU heute weniger politisch und stärker juristisch geprägt ist. Damit sinkt deren Fähigkeit, politisch zu entscheiden und aufgrund rein politischer Überlegungen Kompromisse oder Konzession zu machen.» Dies ist demokratiepolitisch heikel. Das Rahmenabkommen würde diese Defizite der EU telquel auf die Schweiz übertragen: «Der Rahmenvertrag verlor in diesem Prozess stark an politischem Gehalt und gewann an juristischer und technokratischer Dimension.» Dies ist mit der Schweizer Kultur von Partizipation, Konkordanz und Konsens nicht kompatibel.

Ausbau der Guillotineklausel

Die im Abkommen festgeschriebene Zementierung der alten Guillotine Klausel und Ausweitung (Artikel 22 Abs. 2) wurde auch schon als «Super-Guillotine» bezeichnet. Felix Müller hat grosse Bedenken, was diese Entwicklung angeht. Er erwähnt in seinen Schlussfolgerungen die Problematik der neuen Verknüpfungsklausel: «Zudem würde der im Vertragsentwurf von 2018 vorgesehene Ausbau der Guillotineklausel diesen Prozess faktisch unumkehrbar machen, weil sich die Schweiz ja im Konfliktfall stets mit dem Wegfall aller bilateralen Verträge bedroht sähe.» Dies ist ein Beispiel, wie sich technokratische Mechanismen im Rahmenabkommen manifestieren, die Demokratie tangieren und letztlich auch unterwandern. Dadurch werden tendenziell breite Debatten, Diskussionen, Kompromisse, Ausgleich und Pragmatismus verhindert – Grundbedingungen einer gelebten Demokratie.

Kein Bilateralismus, sondern EU-Integration

Der Bilateralismus wird in der EU inzwischen abgelehnt. Dies bestätigt auch Müller in seinem Buch. Also geht es im Grunde keineswegs um die Fortführung des Bilateralismus, sondern um dessen Überführung in eine politisch-institutionelle Integration in die EU. Ein Blick in das Abkommen führt diese Einseitigkeit klar vor Augen. Es geht um eine möglichst einfache Anpassung der bilateralen Verträge und somit auch des Schweizer Rechts an die Rechtsentwicklung im EU-Binnenmarkt. Das ist kein ebenbürtiges Verhältnis zwischen bilateralen Partnern. Es geht darum, «die Schweiz homogener» zu machen und «einfacher anzudocken». Ja, es geht also um eine EU-Integration. Vorsichtig äussert sich dazu auch der Autor: «So stärkt dieser Rahmenvertrag auf den ersten Blick zwar den Bilateralismus. Aber vielleicht schwächt er in der jetzt vorgeschlagenen Form gleichzeitig dessen Substanz, weil der Handlungsspielraum der Schweiz tendenziell abnimmt.» Das Schlagwort «Erosion» der Bilateralen hat demgegenüber nur hypothetischen und auch sehr vagen Charakter. Die Annahme des Rahmenvertrages würde aber definitiv das bilaterale Verhältnis in ein politisch-institutionelles Integrationsverhältnis umwandeln.

Urs Vögeli

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Kommentare: 10
  • #1

    urban cueni (Donnerstag, 14 Mai 2020 16:05)

    Ich werde dieses Buch lesen und danach mein Kommentar abgeben. Bis dann--mit vielem Dank, dass es Leute wie Roger Köppel gibt!

  • #2

    Hans Hilpert (Donnerstag, 14 Mai 2020 17:44)

    Das InstA ist - weil es unserer Bundesverfassung fast ganzheitlich widerspricht - eine richtige Unterwerfung-Deklara-
    tion, welche dem Schweizervolk mit lügenhafter Angstmacherei aufgeschwatzt werden soll; politisch besonders ent-
    täuschend für mich ist, dass allein die zwar wählerstärkste SVP die Tatsachen formuliert, während offenbar alle anderen Parteien im EUturbo-Stil der ausländisch beherrschten Grossfinanz in der Schweiz zu folgen bereit ist; dies
    nach dem Motto "make Switzerland EU-compatible" - und um jeden Preis! Dass mit dieser Haltung unser wertvolles,
    geschütztes Freihandelsabkommen von 1972 im InstA zur Wertlosigkeit "verwurstet" wird, geht einfach vergessen...!


  • #3

    Peter Flütsch (Donnerstag, 14 Mai 2020 18:52)

    Es ist hochbedenklich was der Bundesrat und fast sämtliche Parteien dem Schweizer Volk aufschwatzen wollen. Alles wird positiv geredet und dass die Schweiz ohne Rahmenabkommen (Unterwerfungsvertrag) nicht überleben könnte, weil die EU sofort sämtliche bilateralen Verträge aufkündigen würde. Wir wissen, wie die Argumente beim EWR Vertrag damals waren, die Schweiz würde zugrunde gehen und auf den Knien kommen und um Aufnahme bitten. Hüten wir uns wie anno 1315 bei Morgarten, diesem Rahmenvertrag zuzustimmen.

  • #4

    Andi Bichsel (Donnerstag, 14 Mai 2020 21:27)

    Das Buch habe ich noch nicht gelesen, aber vorab dazu folgendes. Die Schweiz bietet ein stabiles wirtschaftliches und politisches Umfeld. Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeitpunkt gekommen ist. Und die Idee eines Beitrittes zur EU (Europäische Unterwerfung) ist definitiv nicht angekommen. Weltweit gibt es Herrscher , politische Gebilde und Wirtschaftsblöcke, denen es nur um das eigene Machtstreben geht. Da ist die EU/Brüssel keinen Deut besser.
    Wir benachteiligen diejenigen, welche unseren Wohnstand ohne fremde Hilfe ermöglicht haben; die über 50jährigen, inländischen Arbeitnehmer. Sie werden durch günstige Arbeitnehmer aus der EU ersetzt. Dabei kann sich die Schweiz nicht auf den breiten Import von gut ausgebildeten Einwanderern aus der EU verlassen, während die eigene Bevölkerung vernachlässigt wird. Der Wind kann drehen - und die gut ausgebildeten Leute verlassen die Schweiz, so wie sie gekommen sind. So schaufeln wir uns wirtschaftlich das eigene Grab. Das hat Boris Johnson, der Premierminister von Grossbritannien, erkannt. Das Problem, welches Boris Johnson für sein Land festgestellt hat, gilt auch für die Schweiz

  • #5

    Egon Stalder (Freitag, 15 Mai 2020 08:47)

    Meine ganze Familie ist gegen das Rahmenabkommen mit der Diktatur EU!! und wir sind immerhin 10 Personen, wir haben ja erlebt, wie toll die EU in der jetzigen Corona Situation schlecht funktioniert. Vor der Krise haben alle EU freundlichen Parteinen uns eingehämmert, dass die Grenzen nicht mehr kontrolliert werden können. Wie wir aber sehen geht es auf einmal doch, also wurden wir auch da wieder belogen von den EU Befürworter. Die in die EU wollen sollten sofort ihren Schweizerpass abgeben und abhauen, dafür dürfen aus der EU sämtliche Gegner der EU bei uns eichecken. gruss Egon Stalder Rünenberg BL

  • #6

    Max Huber (Freitag, 15 Mai 2020 09:41)

    Mich erstaunt immer wieder, wie unsere Gesellschaft so unwissend und uninteressiert sich in den Rachen der EU stopfen lassen will. Es scheint niemanden zu interssieren, was nach einer Annahme des Rahmenabkommens mit unseren Errungenschaften, die unsere Eltern und Grosseltern im Schweisse ihrer Angesichter erarbeitet haben, geschieht. Ich komme mir vor, wie am Vortag der Schlacht von Culloden in Schottland. Danach war nichts mehr, wie es vorher war. Ein Schottland, wie es einmal war, existierte von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Ihr Ignoranten, lest einmal diese Geschichte. Vielleicht fangt Ihr dann endlich einmal nachzudenken

  • #7

    E.Strässler (Freitag, 15 Mai 2020 09:45)

    Das Einzige was diese EU nach aussen päsentiert, ist ein geldgieringer unkoordinierter Haufen an Diktatoren.
    Die Schweiz wäre finanziell eine bedeutende Ergänzung zu den ausgetretenen Engländern .
    Wenn sich Bern so einer Institution anschliessen will gegen den Volkswillen ,ist die Klavierlehrerin inkl. dem ganzen Rest blitzartig zu ersetzen.

  • #8

    Unsere Basis.Bundesverfassung (Freitag, 15 Mai 2020 18:22)

    -> Youtube Markus Krall
    Euro und EU werden bald einmal crashen! Hyper Inflation ist vorprogrammiert bei soviel Druckerpressen-Geld.
    Dass auch wir dann eine Häufung von neuen Problemen haben werden ist auch klar.
    Aber wir werden weiterhin freie Schweizer sein!
    Was sich "Mutti" und Mitläufer in Deutschland leisten wird böse enden.

  • #9

    Stierli Jean-Pierre (Freitag, 15 Mai 2020 19:54)

    Sensationelles Buch !

  • #10

    Meinrad Odermatt (Montag, 18 Mai 2020 16:27)

    Wie verträgt sich der obige Sachverhalt mit dem erklärten Ziel der EU, ein einheitlicher Global Player werden zu wollen? Was uns nicht interessiert, denn das sind wir jetzt schon, aber nachher nicht mehr. Und mit dem ebenfalls erklärten Ziel, dass das «geostrategische Unding» zu eliminieren/integrieren sei? Doch eher die juristische Kriegführung, bis zur vollständigen Übernahme durch immer tiefere juristische Verstrickung, mit Fallstricken, die hier zu erwarten ist? Und was ist mit den übergeordneten Interessen, die hinter der EU stehen? Die EU wird von den USA in Geiselhaft gehalten und sie waren auch die Gründer. Dazwischen darf die EU mal ein bisschen "herumbellen", damit die Machtverhältnisse nicht zu offensichtlich werden. Die europäische Verteidigungsarmee ist eine amerikanische! Die Amerikaner haben es nicht eilig, abzuziehen. Sie machen sich gleich selber als "Schutzmacht" unentbehrlich. Russland (und die europäischen Länder) zahlen den Preis.

    Es ist mir immer noch ein komplettes Rätsel, warum sich ALLE WEIGERN das einzige Argument, das gegen alle Angriffe – auch diejenigen von Seiten der EU-Schwesterorganisation UNO - standhält, und auf dem unsere ganzen Gesetze aufgebaut sind, auch nur anzudenken: Die Schweiz gehört den Schweizer Bürgern. Es müsste übrigens oben im Titel heissen, Expertokratie oder Elitenherrschaft gegen Demokratie.


    Ja zum Teufel, wem gehört denn dieses Land, diese «Sache», die hier von Nicht-Eigentümern gemanagt werden soll? Nach 729 Jahren im Eigentum und Besitz der sesshaften Schweizer und ihren Nachfahren? Mit einer Verfassung, die die Verteidigung des Landeigentums durch die Armee vorsieht? Das geht doch EU-Brüssel oder die UNO - in ihrer Eigenschaft als «Unberechtigte auf fremdem Boden» - nichts an. Mind your business! Jede freiwillige Mitgliedschaft bei denen müsste daher jederzeit reversibel sein. Also nicht so, wie es der Brexit gerade gezeigt hat. WIR MANAGEN UNSER EIGENTUM SELBER! Punkt, fertig. Dafür brauchen wir kein «Management-Agreement» mit Drittparteien, die sich zu ihrem Vorteil und unserem Schaden in unsere inneren Angelegenheiten einmischen wollen. Unter dem eigentumsfeindlichen Vorwand der «Menschenrechte» und des "Rassismus". Und die so sogar auf diesem Weg der Unterwanderung einen Wiederaustritt verhindern könnten, wenn er denn überhaupt möglich wäre. Somit erübrigt es sich auch, über Völkerrecht, dessen wirtschaftliche Vor- und Nachteile, etc. überhaupt nachzudenken, da INNENPOLITISCH IRRELEVANT. Nichts, ich betone nichts, ist mehr Wert als die demokratische Selbstbestimmung auf eigenem Boden. Wir leben mit dem was wir haben und der Eigentümer bestimmt, wo es lang geht und welche Verträge er mit wem macht oder eben nicht. So war es und so soll es bleiben.